Vom Apfelbaumveredeln (Teil 2) - die regionale Suche nach einem Veredelungsmesser

Der Veredelungskurs, von dem ich Euch erzählte, hat mich Blut lecken lassen.
Erst das Blut am eigenen Daumen bei den ersten Schnittversuchen und dann in dem Sinne, dass ich mir ein eigenes Veredelungsmesser für weiteres Üben und Veredeln wünschte. 

Es gibt x Methoden des Veredeln - besonders oft wird die der Okulation, des Anplatten und die der Kopulation verwendet. Letztere hatten wir im Kurs erlernt, also wollte ich gern ein Kopuliermesser haben. 


Wenn möglich unterstütze ich den Einzelhandel vor Ort. Denn im Netz bestellen kann jeder - die detektivische  Kunst liegt im regionalen Kauf.

An vier Wochentagen komme ich derzeit an einem großen Gartenmarkt vorbei. Das Messer einfach telefonisch zurücklegenlassen, 

es nach der Arbeit abholen, fertig! 

So stellte ich mir das vor. 🙂


Also zum Hörer gegriffen...

"Guten Tag, haben Sie Kopuliermesser da?“
"Was, bitte?! " Die weibliche Stimme am anderen Ende klingt robust aber irritiert.
"Ein Messer für die  Obstbaumveredelung!“
Es wird nachgedacht, beim Kollegen, der im Hintergrund wohl etwas mehr weiß, Rat geholt. Was es denn genau für ein Veredelungsmesser sein soll?
"Ein Kopuliermesser.“
"Sie meinen ein Okuliermesser!"
Frisch gebrieft durch den Kollegen klingt die Stimme plötzlich s e h r selbstbewusst.
Nein, sage ich, nicht Okulier, sondern Kopulier....
"Das gibt es nicht!"
"Doch. "
"Sicher?"
"Ja, sicher."
“Also wir haben zum Veredeln eine Hippe und ein O k u l i e r messer!“
Die Stimme betont jeden verdammten Buchstaben, als ob sie zu einem  Kleinkind spräche.
In der Stimme schwingt ebenfalls mit, dass es etwas anderes außerhalb des örtlichen Bestands des Gartenmarkts mit grünem Logo auch niemals geben könne.
Nicht verunsichern lassen, Angriff:
" Sind denn Ihre Kopuliermesser nur aus oder haben Sie gar keine im Angebot? “
Nun ist die  S t i m m e ungeduldig.
"Also wie heisst das jetzt? Kokuliermesser?“
Messerscharf von Okulier auf Kokulier geschlossen, denke ich und habe allmählich Spaß an dem Gespräch.
"N e i n! Kopulier!"
“Buchstabieren Sie mal... "
"Klar doch: K wie Korb, o wie Obst, p wie Prunus, u wie ...“
“Kopulier! Moment,... er lädt.......Ahh!
Das haben wir im Onlineshop."
Irgendwie klingt sie jetzt wie:
Wusste ichs doch!
oder: Hab ich doch gleich gesagt!
Ich komme aus einer Familie mit vielen Lehrern.

Nur das erklärt, warum ein Teil in mir vom Lernerfolg der Dame angetan ist, obwohl ich immer noch kein regional erworbenes Messer in Aussicht habe.


Aber die Sache ist spannend, ich hab 1 Stündchen Zeit, Aufgeben gildet nicht.

Es folgen zwei erfolglose Anrufe bei weiteren Baumärkten. Dann rufe ich im Baumarkt mit der größten Garten Abteilung an. Der Mitarbeiter hat mal dunkel das Wort Veredeln gehört: "So mit Rosen, oder? "
Ich erkläre das Veredeln in Kürze (der Seminarleiter wäre endlich stolz) und auch, was ich genau suche.
Nein, Messer haben sie g a r  nicht.
Aber der K-Markt als Gartenspezialist, der bestimmt!

Der Tipp leuchtet ein, immerhin kann man da im Frühjahr seine Gartenschere schleifen lassen.
Aber ich rufe nicht den nächst gelegenen an - da ist immer so ein lustiger Vogel am Telefon, witzig aber wenig hilfreich.
Also die etwas entferntere Filiale.
Und ich  bin noch  schlauer und spreche am Telefon neutral erstmal nur vom "Veredelungsmesser".
"Was für'n Ding? Wie heißt das genau?!" trompetet es am anderen Leitungsende fröhlich.
Mir schwant böses, dennoch seufze ich "Kopuliermesser".
Und tatsächlich: Er lacht schallend und wiederholt mehrmals glücklich das Wort.
Nee, das hätten sie nicht.
Inzwischen habe ich die vertraute Stimme erkannt, und die Ahnung bestätigt sich, als er sagt: "Auch nicht in der Filiale in H., da habe ich nämlich bis Januar noch gearbeitet."
Dann besinnt er sich ein wenig  auf seine Professionalität, und googelt glucksend nach dem Messer in weiteren  Filialen.
Nee, haha, da auch nicht.
"Aber versuchen Sie es mal bei Firma M.!"

Firma M.? Es wäre mir als letztes eingefallen, dieses Hochglanzpflanzenkaufhaus anzurufen.
Aber o. K., es ist groß, vielleicht ja auch die Auswahl?!


Oh jee, denke ich 1 Minute später, das war doch keine gute Wahl:
Die  Dame der Telefoninfo schweigt auf meine Frage  und prüft wohl still für sich in 5 Sekunden, ob auch Frauen obszöne Anrufe machen.
"Kopu... viermesser?" wiederholt sie nun zögernd, in der Hoffnung, sich verhört zu haben.
Nein, nur eines, denke ich und wiederhole starrsinnig , wie es richtig heisst.
2 weitere Mitarbeiter in der Telefonweiterreichung später lande ich - eingestuft als komplizierter, ominöser Fall - beim Chef.
" Kopuliermesser, klar!"
Ich fass es nicht! Er kennts. Augenblicklich werde ich Fan des Ladens. Und dieses fachkundigen Menschen.
Hoffnung!
"... Klar, aber haben wir nicht mehr!"
Hoffnung kaputt!
"F r ü h e r hatten wir die, aber sie wurden immer so oft  geklaut. Daher hatten wir sie dann später nicht mehr in der Auslage. Nur auf Nachfrage.
Und als die Leute sie nicht mehr sahen, wurden sie natürlich g a r  nicht mehr gekauft.
Und das Veredeln macht ja heute auch kaum einer mehr. "
Das stimmt. Aber es ist auch kein Wunder, wenn die Messer so schwer zu bekommen sind, denke ich. 


Noch einmal g a n z neu gedacht und ein auf Rasierer und Messer spezialisiertes, angesehenes Fachgeschäft angerufen.
Die Seniorchefin ist am Telefon.
Ganz still wird es wieder in der Leitung, nachdem ich nach einem Kopuliermesser gefragt habe. Man hört förmlich das Ratten der Denkräder und das verzweifelte Entscheidungtreffen: Ist das ein Scherzanruf - ja oder nein?
Lieblingsgärtner, der dieses letzte Telefonat mit an-  und der Dame Denkräder genauso rattern hört, beisst in seinen Schal, um nicht zu lachen.
Am Ende der 10 Sekunden Stille fällt ihre Entscheidung auf "jein": "Ich hole mal meinen Sohn, der weiß das eher einzuordnen."
Sohn, Chef des Ladens, ist ebenso ahnungslos, was ein Kopuliermesser sein soll,  gibt das aber offen zu, ist sehr freundlich und sehr  bemüht.
Da er definitiv ein Gärtnermesser da hat, verabreden wir, er möge in Ruhe seine Bestände nach dem Kopuliermesser durchforsten.
Später habe ich einen Anruf auf dem AB, er glaube, er habe tatsächlich zwei Modelle da.


O. K., morgen schaue ich endlich hoffnungsvoll in seinem Laden vorbei.
Die Telefonrallye war lustig - notfalls bleibt mir das Bestellen mit dem guten alten Internet 🙂....