
Erstmal hoffe ich, dass Ihr alle gesund und munter im neuen Jahr angekommen seid☺!
Eigentlich ist erst im Februar/März, im Spätwinter, die Hauptzeit für den Winterschnitt an Kernobst - Äpfeln und Birnen.
Da wir jedoch allein 14 alte und junge Apfelbäume im gesamten Kleingarten stehen haben, weil ferner die Zeit knapp und der Tag kurz ist, und zudem auch das Wetter passen muss, legen wir jetzt schon mit dem Erhaltungs- oder Verjüngungsschnitt an den alten Bäumen los.
Passendes Wetter heißt idealerweise trocken und kein starker Frost.
Das ist gerade gegeben.
Schritt 1
Mein erster Tipp, wenn man sich an den Apfelbaumschnitt wagen möchte, ist: Lesen☺!
Ohne "etwas Theorie" darf man kein Auto fahren, und es ist verdammt gut so, dass jeder Chirurg die Anatomie des menschlichen Körpers theoretisch in-und auswendig kennen muss, bevor er darauf los schneidet😉!
Und so sollte der Obstbaumgärtner eben auch etwas von den Wachstumsgesetzen, dem Saftfluss im Baum wissen! Er muss die sogenannten "Schnittgesetze" kennen. Nur so kann er vorausahnen, wie stark und wo neue Äste am Baum austreiben werden. Er sollte zwischen Stammverlängerung, Leitästen und Fruchtästen unterscheiden können.
Zuviel zu schneiden ohne jedes theoretische Wissen kann ungünstig, verheerend, schlimmstenfalls auch tödlich für den Baum sein.
Ich betone das so, weil ich in a l l e n Kleingartenanlagen sehr oft verschnittene und verstümmelte Obstbäume sehe, deren Gärtner einfach zu "mutig" bzw. unbedarft mit dem Schnitt loslegten. Frei nach dem Motto: Viel hilft viel. Man kann aber auch leider s e h r viel falsch machen: Davor sind auch sonst sehr erfahrene Kleingärtner nicht gefeit!
Im folgenden zwei Beispiele, wie geschnittene Obstbäume n i c h t aussehen sollten ...


Das zweite Beispiel stammt aus unserem eigenen Garten (!).
Der Vorgänger hielt die Apfelbäume wohl für Kopfweiden, die man einfach radikal herunterschneiden darf. Die Folge ist, dass diese älteren Apfelbäume, schöne alte Sorten - ein Berner Rosenapfel und ein James Grieve - wohl nie wieder so richtig wie Apfelbäume aussehen, sich nie richtig von dem falschen Schnitt erholen werden. Immerhin tragen sie dafür noch recht gut und wir lassen sie a u c h stehen, weil sie auf jeden Fall noch ökologischen Wert haben.
Daher: Lesen und Informieren b e v o r es losgeht!
Hilfreich könnte zum Beispiel meine Buchempfehlung aus dem Herbst sein:

Die 24,95 Euro für dieses Buch rentieren sich für den Freizeitgärtner wirklich: Ausführliche, aber nicht ausschweifende Beschreibungen, klare Skizzen, die auch Anfänger gut verstehen.
(Nein, dies ist keine Werbung, für die ich Geld bekomme - einfach nur eine Empfehlung, weil ich es hilfreich finde!;-))
Gute Literatur für den Obstbaum(-schnitt) findet sich auch auf der Seite des Pomologen-Vereins e.V..
Der Streuobstwiesenverein Lüneburg zeigt ebenso bildhafte, hilfreiche Themenblätter wie "Winterschnitt bei Obstgehölzen" (auch wenn ich persönlich mit dem Mondphasenbezug nicht soo viel anfangen kann ;-)).
Es gibt nur e i n e n Tipp, der zur Vorbereitung auf den Obstbaumschnitt noch besser ist als Lesen: einem fitten Obstbaumgärtner beim Schneiden über die Schulter schauen - mit anderen Worten einen - guten - Schnittkurs besuchen!
Das haben Lieblingsgärtner und ich im Dezember getan.
Auf einer Streuobstwiese des Gutes Adolphshof bei Hannover, einem der ältesten ökologisch bewirtschafteten Höfe Niedersachsens und benannt nach Adolph von Cambridge, Statthalter des Königreichs Hannover...

... zeigte uns Teilnehmern die 2. Vorsitzende vom Pomologen-Verein e.V.,
Sabine Fortak, beim praktischen Baumschnitt ihr Wissen und Können. Der Kurs machte einen Riesenspaß, führte zu vielen Aha-Erlebnissen. Und wir wussten danach, dass wir noch viel, viel mehr wissen müssen und noch mehr Routine brauchen 😉...
Wenn Ihr die Gelegenheit habt, nutzt sie: Es gibt bestimmt auch in Eurer Nähe derartige Kurse!
Schritt 2:
Den Baum in Ruhe- am besten von allen Seiten, von unten wie auch oben - ansehen und analysieren: Wie sieht er aus? Ist er alt oder noch jung? Schon mal geschnitten oder gar nicht? Starkes Wachstum oder eher schwach? Ist er gesund oder krank? Ist es überhaupt ein Hochstamm-, Halbstamm-, oder gar Spindel-Baum?
Experten nennen das "die Baumansprache".
Wenn alle diese Fragen beantwortet werden können, kann der richtige Schnitt für die richtige Baumform und das richtige Alter, den richtigen Zustand gewählt werden. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen
Pflanzschnitt, Erziehungsschnitt, Erhaltungsschnitt, Verjüngungsschnitt, Korrekturschnitt. Jede dieser Schnittarten hat eine unterschiedliche Herangehensweise.
Das Ergebnis einer Baumansprache kann beim absoluten Anfänger trotz eingehender Beschäftigung mit der Ratgeberliteratur sein: Keine Ahnung! 😉
Dann, im Zweifel, lieber die Finger vom Baum lassen und Expertenrat einholen! Es dauert ganz einfach, bis man einen geschulten Blick entwickelt.
Expertenrat findest Du bei den Besitzern sichtlich gut geschnittener, gesunder und gut tragender Bäume in der Nachbarschaft oder zum Beispiel in einem Gartenforum wie "garten-pur" .
Letztlich führen wild wachsende Bäume in der Natur a u c h ein glückliches langes Leben. Wenn wir Gärtner eingreifen, geht es uns um größere, schöne Fruchtqualität, ausgewogenen Ertrag - aber dem Baum kann es auch ohne dies gut gehen, und er wird uns weiter Schatten und Sauerstoff spenden....
Besser k e i n Schnitt als ein komplett falscher.
Die Baumansprache kann aber z.B. - wie bei einigen unserer Bäume- auch zum klaren Ergebnis haben: Schwach wachsender, alter Halbstamm-Baum, ungepflegt, der einen Verjüngungsschnitt gebrauchen kann.
Schritt 3:
Das Schneiden.
Zunächst zur notwendigen Mindest-Ausrüstung:
Wie bei der OP eines Menschen sollte auch beim Baumschnitt nur scharfes und sauberes, gut desinfiziertes Werkzeug zum Einsatz kommen. Sonst besteht die Gefahr von Infektionen!
Müssen größere Äste entfernt werden, empfiehlt sich eine Baumsäge - für die normalen kleineren Äste und Zweige ist eine Baumschere ausreichend.
In der Regel - es sei denn es handelt sich um Bäume auf schwachwachsender Unterlage - wird man auch eine Leiter verwenden müssen. Sicherheit ist hier oberstes Gebot! Immer für einen stabilen Stand sorgen, diesen vor dem Schneiden durch Ruckeln austesten !
Wichtig ist auch, dass man beim Schneiden feste Schuhe trägt und ebenso feste Handschuhe: Beides kann man bei der Gartenarbeit sowieso gebrauchen.
Ferner empfiehlt sich wie bei allen anstrengenden Tätigkeiten weder mit schnupfendröhnigem Kopf noch vollem Magen auf die Leiter zu steigen😕😉.
Nun erst sollte es losgehen.
Ganz wichtig ist es, dem Baum beim Schneiden nur möglichst kleine Wunden zuzufügen, um Infektionsrisiken, Schadpilze wie Obstbaumkrebs zu verhindern.
Kleine Äste, Zweige schneidet man ca 1/2 cm über einer nach außen stehenden Knospe ab. Dicke Äste sind knapp am Stamm oder Hauptast mit möglichst kleiner Schittfläche abzusägen - in der Fachsprache heißt es, "man sägt auf Astring". Es sollen keine sogenannten Kleiderhaken entstehen, die ihrerseits Infektionsrisiken birgen. Bei sehr dicken Ästen geht man am besten schrittweise vor, sägt den Ast zunächst von unten leicht ein, bevor man ihn von oben ganz absägt: Das verhindert, dass er wegbricht und richtig große Wunden entstehen.
Schritt 4:
Der spezielle Schnitt richtete sich - wie geschrieben - nach dem, was bei der Baumansprache herausgekommen ist.
In unserem Garten werden wir nun am Wochenende weiter den Verjüngungsschnitt an alten Apfelbäumen angehen.
Bei den bisher gepflegten Bäumen werden wir nur alle kranken und steil nach oben wachsenden Äste wegnehmen sowie Stock-und Stammausschläge.
Die Leit und Seitenäste werden wir eventuell etwas einkürzen und dabei darauf achten, dass die sogenannte Saftwaage in etwa erfüllt ist.
Die Saftwaage bedeutet, dass die Spitzen der Leitäste etwa auf gleicher Höhe enden.
Insgesamt werden wir nicht zuviel auf einmal schneiden, da sonst zu viele Wasserschosser (keine Früchte tragende, steil nach oben wachsende Äste) entstehen.
Ich hoffe, wir bekommen das gut hin, so dass die alten Bäume wieder besser austreiben, letztliche schönere, gesündere Früchte bekommen.
Nun ja, Erfahrung dauert eben ihre Zeit: Ich werde weiter zu diesem Thema berichten und im März folgt an dieser Stelle auch ein Artikel zum Pflanzschnitt an jungen Bäumen.
Euch allen noch eine schöne Woche und einen weiter guten, gesunden Jahresanfang!
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Carla (Mittwoch, 17 Januar 2018 22:12)
Liebe Corinna,
was für ein toller und detaillreicher Fachartikel! Wie oft laufe ich durch die Gegend und sehe Gärtner einfach so drauf losschneiden, dabei tut man weder sich noch dem Baum einen Gefallen damit. Und wieder dran schneiden geht halt irgendwie nicht...
Herzliche Grüße
Carla
Elke Schwarzer (Donnerstag, 18 Januar 2018 19:27)
Hallo Corinna,
ich muss zum Glück nur meinen Säulenapfel schneiden, das ist recht einfach. Und die Süßkirsche kann ich im Sommer stutzen, das bekommt ihr immer ganz gut.
VG
Elke