
... eine Welt weit fort
von Haß und Zorn,
einsam und frei ..."
Titel und folgende Textzeile habe ich vom großen Reinhard Mey geborgt, der im gleichnamigen Lied über die Schönheit und menschliche Perversionen des Fliegens singt.
Ich finde, dass seine Worte auch einen Friedhof beschreiben können.
Viele Menschen denken sich nichts dabei, in einem Gartenblog über einen Friedhof zu lesen. Auch im garten-pur- Forum gibt es einen thread, in dem man sich über Gestaltungsformen und Bepflanzung von Friedhöfen im In- und Ausland austauscht. Ich kenne Menschen, die regelmäßig die großen Abfallkiepen auf Friedhöfen nach ausgemusterten Pflanzen absuchen, diese mit nach Hause nehmen und liebevoll im eigenen Garten päppeln.
Der ein oder andere Leser aber mag es unpassend finden, dass ich in einem Gartenblog Bilder eines Friedhofs zeige, wortwörtlich über den Friedhofszaun schaue. Und vor einigen Jahren hätte ich genau diese Ansicht geteilt.
Ich hatte Berührungsängste, die mir als Kind beim Besuch des Grabs der Großeltern intensiv anerzogen worden waren. "Auf dem Friedhof musst Du still sein ... darfst keinesfalls etwas essen oder gar irgendetwas - eine Eichel, eine Blüte - von dort mitnehmen, das bringt Unglück ... pass auf, dass da kein böser Mann hinterm Baum lauert ... wasch Dir wenn wir wieder zuhause sind, bloß gründlich die Hände!"
G l e i c h w o h l wurde ich, während meine Mutter am großelterlichen Grab Unkraut zupfte und es saisonal bepflanzte, auf die Suche geschickt ;-): Ich sollte schauen, ob irgendwo hinter einem Busch oder Baum eine große Harke liege, die man kurz entleihen könnte. Meiner Mutter war es zu umständlich oder vielmehr - aufgrund ihres Fremdelns mit diesem Ort - unangenehm, eine eigene vom heimischen Garten d o r t ebenfalls zu benutzen ...
Diese Aufgabe hatte für mich als Kind einerseits etwas von spannender Mission: Nur wenn ich das Gartengerät fand, gab es auch eine geharkte Grabumrandung! Andererseits war die vermeintliche, mir strikt eingeschärfte Gefahr vom stetigen "Mitschnacker" - wie man damals sagte - hinterm nächsten Baum stetig präsent: Ich durfte nur in einem kleinen Radius rund um meine, das Grab der Großeltern bepflanzende Mutter suchen.
So kam es, dass ich immer mit den Augen in unterschiedliche Richtungen guckte (eine Kunst, sich dabei nicht das Schielen anzugewöhnen): Ein Auge hielt auf dem Friedhof nach (nie eintretenden) Gefahren Ausschau. Und das andere guckte, ob irgendwo unter dem wuchernden Efeu einer alten Grabstelle ein kleines Stückchen Stiel einer Harke vorlugte, die ich kurz borgen konnte. Fand ich eine, führte ich sicherheitshalber ein stummes Zwiegespräch mit dem Grabbewohner: "Ich bbbringe sie gleich wieder!" Und dieses Versprechen hielt ich penibel innerhalb weniger Minuten ein ;-).
Damals habe ich mich auf dem Friedhof stetig in einer Stimmung leiser Furcht und finsteren Respekts gefühlt - als ob der Kontakt mit diesem Ort in irgendeiner Weise gefährlich wäre.
Der Respekt ist bis heute geblieben, aber er ist nicht mehr finster.
Der Friedhof ist heute für mich ein Ort des Friedens oder mit anderen Worten: "ein Garten für alle Seelen".
Dieses Empfinden kam spät und schrittweise, nachdem dort ein geliebter Mensch bestattet wurde.
Ich war seitdem unzählige Male dort - zur Grabanlage und immer wieder zur -pflege, zum Besuch, wenn mich etwas beschäftigte, wenn ich traurig, aber auch, wenn ich glücklich war. Und irgendwann einfach nur so zu einem Spaziergang.
Ich habe zunehmend die riesigen Bäume und andere schöne Pflanzen auf den Grabstellen und dem Gelände bestaunt. Und ab und an den Friedhofsgärtnern bei Pflegearbeiten zugeschaut.
Ich habe mich das ein oder andere Mal mit anderen Besuchern unterhalten oder die Stille genossen und dabei flinke Eichhörnchen beobachtet.
An einem heißen Sommertag habe ich mir schon ein schattiges und an einem kalten Wintertag ein sonniges Plätzchen gesucht und in einer Gartenzeitschrift gelesen.
Und ich habe fotografiert! :-) Wenn Du willst, lieber Leser, dann ...
... zeige ich Dir nachfolgend ein paar Impressionen vom schön angelegten Michaelisfriedhof. Ein zweiter Blick durch die Mauer ...

Bevor wir eintreten, finde ich noch die bunte Moosschicht a u f der Mauer einen Hingucker wert ...
Der Friedhof hat einen großen, alten Baumbestand: Es gibt riesige Kiefern und mächtige Eichen sowie einige Trauerbirken.
Gerade jetzt im Winter wirkt das Gelände grüner und belebter als manche Parkanlage: Die vielen immergrünen Pflanzen kommen nun zur vollen Geltung. Tiefdunkelgrüner Efeu, der ganze Grabstellen zudeckt, hat in d i e s e r Jahreszeit etwas tröstliches.
Auf manchen Grabstellen stehen Wacholder, die mittlerweile sicher sehr viel höher und größer geworden sind, als derjenige dachte, der sie einst pflanzte.
Es sind auch allerhand beeindruckende, alte Grabmale und Engelsfiguren zu sehen...




Wie man auf einigen Fotos erkennen kann, ist die Friedhofsanlage sehr offen. Vor 30 Jahren lagen die Grabstellen deutlich näher aneinander und auch der Bewuchs war wilder, undurchsichtiger.
Inzwischen hat man viele der alten Gräber eingeebnet beziehungsweise die wenig Platz einnehmende Urnenbestattung hat deutlich zugenommen.
Der Friedhof liegt im Senkungsgebiet unserer Stadt und weist beträchtliche Höhenunterschiede auf: Die alten Stufen auf dem folgenden Foto fangen das ansehnliche Gefälle ab...

Muschelzypressen können recht groß werden, wenn man sie lässt. Ich mag die geschwungene Form gern ...

Beim Fotografieren von einem Regenguss überrascht, konnte ich mich bei einem überhängenden, eine Eibe berankenden Efeu unterstellen ...

Huih, zugegeben, die rabenschwarze Miez' hat mich beim Spaziergang schon erschreckt ;-). Für Katzen ist das Gelände natürlich ein Paradies, auf dem es sich mit Artgenossen mitten in der Innenstadt wunderbar herumstromern lässt.
Ich wünsche Dir ein gutes Wochenende, lieber Leser! Vielleicht machst Du einen Spaziergang und neue Entdeckungen alter Orte in Deinem Dorf oder Deiner Stadt?!
Bis nächste Woche !☺
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