
Das oft unwirtliche Wetter führt dazu, dass mein freizeitlicher Drang nach Garten, Garten, Garten einen Hauch weniger ausgeprägt ist als sonst :-). Naja, und die frühe Dunkelheit trägt das ihrige dazu bei. So kommt es, dass ich plötzlich mehr Zeit für andere Hobbies habe :-). Ich liebe Bücher, lese seit meiner Kindheit relativ vielfältig. In den letzten 1,5 Jahren kam die Gartenliteratur als umfassendes neues Gebiet zu den bisher in meiner Bücherwand vorherrschenden Romanen, Krimis und Fachbüchern hinzu.
Am vorletzten Samstagnachmittag, sonst unser Gartentag schlechthin, regnete und windete es kräftig, und Lieblingsgärtner und mich verschlug es in unsere Lieblingsbuchhandlung. Ich streunte entlang der Buchregale: Der neue Krimi von Nele Neuhaus? Ja, der wäre eine sichere Bank für spannende Lesestunden, aber ein gebundenes Buch ist teuer: Dafür bekomme ich eine Menge Pflanzen ;-). So warte ich bei einem Krimi oft lieber auf die Taschenbuchausgabe! Wie wäre es mit einem Gartenfachbuch? Immer toll, aber eigentlich wollte ich mich diesmal von einer schönen Geschichte fesseln lassen.
In diesem Moment stand ich vor den "Minis". Diese von verschiedenen Verlagen herausgegebenen Bücher haben humane Preise, und sie passen fast in jede Jackentasche. Das finde ich rein formal prima, denn so kann ein Buch - im Fall des Falls von Sonnenschein und Mußezeit - gleich mit in den Garten! Und dann hieß das Büchlein, das im Regal direkt vor mir stand auch noch "Pinnegars G a r t e n " (!) Das klang für mich perfekt, und das war es dann auch.
Ein Buch, bei dem ich schon nach den ersten Seiten bedauerte, dass ich bald zum Ende kommen würde. Und zudem eines, dessen Inhalt oder vielmehr Zauber sich nicht leicht beschreiben lässt, sondern dass man "gelesen haben muss"!
Ich versuche es trotzdem mit dem Beschreiben ;-) :
Gezeichnet wird das Leben des hochbetagten Obergärtners Herbert Pinnegar, etwas ironisch und respektvoll zugleich "Old Herbaceous" genannt. Seine Geschichte wird in Rückblicken aus der Sicht des alten Mannes erzählt:
Herbert wird in der späten Mitte des 19. Jahrhundert in England geboren - ein Findelkind.
Mrs Pinnegar, die Frau des Kuhhirten und sechsköpfige Mutter, gibt ihm ein Zuhause und die Lehrerin, Mary Brain, Zuwendung. Brain unterstützt seine frühe Liebe zu Blumen, indem sie dem kleinen Herbert Wissen vermittelt und ihm mit der Teilnahme an einem Wiesenblumenwettbewerb bei der örtlichen Gartenausstellung eine erste Tür für seinen späteren Werdegang öffnet: Der Junge gewinnt ihn und die Aufmerksamkeit von Lady Charteris, die seine Begeisterung für alles Grüne teilt und Herbert Pinnegars Leidenschaft dafür erkennt. So führen Glück und Lady Charteris Förerung dazu, dass der junge Pinnegar trotz schwieriger Startbedingungen Schritt für Schritt im Leben und in der Gesellschaft Selbstbewusstsein und seinen - angesehenen - Platz findet: den des langjährigen Obergärtners auf dem Besitz von Lady Charteris, und den eines weit bekannten Gartenexperten.
So, nachdem ich dies geschrieben habe, möchte ich alles - wie befürchtet - gleich wieder streichen, denn diese Worte klingen doch reichlich nüchtern! Ich tue es aber nicht, sondern ergänze folgendes: ...
Das Anrührende des ganz und gar unaufgeregten Buchs liegt für mich darin, dass es auch ein Buch über Freundschaft und darüber, wie Menschen im Leben wachsen können, ist. Es trifft direkt ins Herz - mit dem großartig gezeichneten Charakter des Herbert Pinnegar, seinen Schrullen, seiner Unsicherheit und seinem Mut, seinem Witz, seinen schlitzorigen Ideen und der Freundschaft und Treue zu Lady Charteris.
Allein für die Geschichte, wie Herbert seinem Freund und wöchentlichen Domino-Kumpel George, dem Stationsvorsteher des kleinen Ortes, aus der Patsche hilft, als es darum geht, einer Untersuchungskommission einen blütenreich bepflanzten Bahnhof zu präsentieren, lohnt sich die Lektüre!
Und dann will ich noch verraten, dass ich die letzten Seiten des Buchs verheult gelesen habe - warum verrate ich nicht: Lies es selbst, lieber Leser ;-) ...
Der Autor Reginald Arkell (1882-1959), Bühnenautor und Humorist, hat dieses Buch in hohem Alter geschrieben. Und ich empfinde es so, dass sowohl des Autors berufliche Ausrichtung als auch seine große Lebenserfahrung dazu führten, dass die Protagonisten mir so lebendig wie bei einem Theaterstück vor Augen standen, und die Geschichte trotz Warmherzigkeit, Humor, und verpackter Psychologie weder belehrend wirkt noch süßlich aufstößt. Akerell kannte die Menschen und hat den Lebensweg einer besonderen Persönlichkeit beschrieben.
Für wen ist das Buch geeignet? Den Buchgeschmack eines anderen zu treffen, ist nicht leicht: Er ist extrem individuell, wie ich erst neulich erlebt habe, als eine ältere Nachbarin, die ich mag, ein Buch prima fand, das ich gar nicht mag :-). So sind gerade Kategorien bei Empfehlungen nur bedingt hilfreich. Dennoch bleibt mir nichts anders übrig als sie zu bilden, und empfehle ich das Buch für:
Gartenliebhaber, Englandfans, Menschen mit (britischem ;-))Humor, Romantiker, Ältere Menschen, Fans des Films "Miss Daisy und Ihr Chauffeur"
Reginald Arkell
Pinnegars Garten
Unionsverlag Zürich
8. Auflage, 2016
9,95,- Euro
Demnächst wird es hier im blog im Winter einmal im Monat einen Buchtip geben! Es geht um Bücher, die mit dem Thema Garten zu tun haben, klar :-).
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