Heiligabend im Kleingarten (Dezember 2015)

Ich glaube, die meisten Menschen schütteln nur den Kopf bei der Vorstellung, einige Stunden des Heiligen Abends im Garten oder gar einem Kleingarten, entfernt von der warmen Wohnung, dem Haus, zu verbringen: Huh, das ist doch einfach zu kalt, zu ungemütlich, nicht festlich! Selbst in Zeiten des Klimawandels sind Ende Dezember keine beziehungsweise nur wenige Blüten zu bestaunen, und den Gänsebraten oder das vegane Gourmetmenü genießt man lieber am Tisch im molligen Wohnzimmer. Auch ich mag ein Festessen und Blütenpracht, aber beide sind mir dennoch nicht wirklich wichtig. Wichtig sind mir mein Mann, Freunde, ein Großteil der Familie und seit diesem Jahr mein Garten. Es ist der Ort, wo ich innerlich schnell “runterkommen“ und gestalten kann, wie ich möchte. Es ist der Ort, wo Natur ist, wo Feld-und Waldtiere vorbeihuschen und auch die Pflanzen ständig in Veränderung sind. Und das gilt nicht nur tagsüber sondern bei entsprechend trockenem Wetter auch abends und manchmal auch nachts. Und es gilt ziemlich unabhängig von der Jahreszeit: Wozu gibt es dicke Jacken und mal eine Decke?!

Wahrscheinlich war ich schon immer so naturverbunden gestrickt, wusste es nur selber nicht. Viele Jahre als Kind und auch noch Jugendliche wünschte ich mir zu meinem Dezembergeburtstag immer wieder erfolglos: ab in den Wald und dort ein kleines Picknick einnehmen. Aber der Dezember ist eine Jahreszeit, die auch viel Regen und Sturm mit sich bringen kann und so war das Wetter ein Hinderungsgrund. Meine Eltern waren ferner im Erfüllen immaterieller Wünsche nicht so gut, und ich selbst war zu unsicher, diese einfach anzugehen. Dann, im jungen Erwachsenenalter, wurde anderes wichtiger, und der Wunsch rutschte ein bisschen in Richtung Vergessen. 

Dieses Jahr aber war der 24. Dezember als ungewöhnlich warm angekündigt. Es sollte ...

... auch einigermaßen trocken bleiben. Mein Schatz und ich beschlossen, dass wir – zumindest ein wenig – der Jahreszeit zum Trotz auch im Garten feiern wollten. Zu meinem Geburtstag Mitte Dezember hatten wir bereits einen Feuerkorb bestellt und aufgebaut. Allerdings wollten wir es uns einfach machen und heiße Suppe nicht vor Ort erwärmen, sondern diese bereits mitnehmen. Im Internet fanden wir nach kurzer Recherche einen  für Suppe geeigneten Henkelmann, und hatten Glück, dass der Paketservice ihn binnen eines Tages lieferte.

Zu meiner 84jährigen Mutter ist mein Verhältnis - auch wenn ich sie sehr lieb habe - nicht unbelastet. Das hat damit zu tun, dass sie früher, als ich sie in Kindheit und Jugend gebraucht hätte, kriegstraumatisiert nur um sich selbst und eigene Probleme kreiste, kreisen konnte. Zu ihren liebenswerten Eigenschaften gehört aber inneres Junggebliebensein, das Spannendfinden ungewöhnlicher Aktionen. Viele Menschen sind selbst in ganz jungen Jahren im Kopf und Herz so alt und an Konventionen gekettet ... Welche alte Dame ist begeistert, wenn ihr im Dezember ein Lagerfeuer mit Essen im Garten vorgeschlagen wird? Ich glaube, wenige, aber meine Mutter war es :-) .

 

Und so zogen wir mit Wolldecke, Kerzen in Gläsern und Picknickkorb samt Suppe am Nachmittag in den Garten. Ich bin sicher romantisch veranlagt, aber nicht naiv und weiß, dass sich ältere Menschen bei so einer Aktion schnell erkälten können: Meine Mutter, trotz ihres hohen Alters auf „tadellose Optik“ bedacht, wehrte sich– für ihre Verhältnisse – nur kurz, als wir ihr über die Baumwollhose noch eine paar dicke, lange Schafwollstulpen zogen, sie zusätzlich zu ihrem Wollpulli und der Winterjacke in eine warme Strickjacke steckten und dann noch die Decke umlegten. Wir zogen uns auf die Terrasse zurück. Als Sitzgelegenheit bevorzugte meine Mutter ihren Rollator, mein Mann bekam unseren einzig noch draußen verbliebenen Gartenstuhl, ich unsere Isomatte auf dem Holzterrassenboden.

Gutgelaunt stimmte meine Mutter gleich beim ersten Kerzengläserschein ein Weihnachtslied an, während mein Schatz sich noch unweihnachtlich fluchend damit abmühte, unser kleines Schwedenfeuer im Feuerkorb in Gang zu bekommen. Das war nicht gar so leicht, denn der Anzünder war durch die Witterung etwas feucht geworden, und außerdem war auch etwas Wind in der Luft. So gingen die Streichhölzer immer wieder aus, aber mit mehreren zugleich klappte es schließlich. Unser Feuer kam in Gang und sah in der zunehmenden Dämmerung wunderschön aus. Es wärmte Herz und Körper.

Vom Wind gedrückt, schlugen die Flammen zwar ein wenig aus und es flogen ein paar Funken. Aber das Gras war patschenass und zudem hatten wir die Feuerstelle auf einer Steinplatte bereits im Sommer so ausgewählt, dass nichts passieren konnte.

Was soll ich sagen: Wir bewunderten stundenlang die Glut, den Mondschein des Vollmonds, der den Garten in ein herrliches Licht tauchte, sangen alle Weihnachtslieder, deren Strophen uns einfielen, aßen heiße Suppe ... es war wunderbar!

 

Irgendwann aber war das Feuer niedergebrannt und uns wurde kühler. Es war Zeit, nach Hause zu fahren und dort noch heißen Tee und einen kleinen Imbiss einzunehmen.

Frohe Weihnachten. 

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